StarCraft II im eSport: ein Kommentar

StarCraft II im eSport: ein Kommentar
StarCraft II im eSport: ein Kommentar
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Wir schreiben das Jahr 1998: Die Deutsche Clanliga DeCL ist ein Jahr alt und der eSport steckt mit Quake und Doom noch in den Kinderschuhen. In diesem Jahr veröffentlichte Blizzard das StarCraft und noch im selben Jahr folgte die Erweiterung mit StarCraft: Brood War und zusammen sollte StarCraft bald schon seinen Platz in der eSport-Szene erobert haben, vor allem im südkoreanischen Raum landete das RTS um Jim Raynor und die Zerg einen durschlagenden Erfolg, der ihm im Laufe des kommenden Jahrzehnts eine Vorreiterrolle im eSport zukommen ließ.

Es sollte bis in das Jahr 2010 dauern, bis Blizzard sich daran wagte einen Nachfolger für das, inzwischen in Südkorea zum Volkssport entwickelte, Brood War zu releasen: StarCraft II: Wings of Liberty wurde veröffentlicht, Anfang 2013 folgte mit Heart of the Swarm das erste Addon.

Vergleicht man nun die Entwicklung beider Spiele im eSport, fällt das Urteil für viele StarCraft-Veteranen eher ernüchternd aus: in dem offiziellen Forum häufen sich Threads über abnehmende Spielerzahlen, geringe Viewerzahlen und Frustmomente im Spiel und ein Blick auf Twitch zeigt StarCraft II zwar immer noch unter den Featured Games, dennoch dominiert mit League of Legends, sowie mit Abstrichen Dota II, das Moba-Genre. Selbst Hearthstone weißt häufig das xfache der Viewerzahlen zu StarCraft auf. Woran liegt das? Was bringt eines der ehemals populärsten eSport-Spiele, welches sich in Südkorea immer noch größter Beliebtheit erfolgt, in Nordamerika und Europa in solche Bedrängnis?

Um diese Frage zu beantworten möchte ich League of Legends und StarCraft anhand eines Bildes zweier Sportarten aus dem traditionellen Sport vergleichen: Fußball und Schach.

Fußball ist ein Sport, der die Massen auf einer emotionalen Ebene anspricht und begeistert. Jedes Wochenende ziehen hunderttausende Fans in die Stadien, um ihr Team anzufeuern. Fußball ist ein Mannschaftssport, indem der einzelne nur in seltenen Fällen alleine alles gewinnt. Und was fast am wichtigsten ist: Fußball wird selbst gespielt. Fast jeder Fan kickt selbst regelmäßig gegen den Ball, oder hat zumindest in seiner Jugend regelmäßig den Bolzplatz besucht.

Schach hingegen ist eher ein Nischensport. Natürlich wird über Weltmeisterschaften berichtet, dennoch hat es bei weitem nicht die Anziehungskraft, die der Fußball auf die Bevölkerung ausübt. Schach ist ein Wettkampf zwischen zwei Einzelpersonen, ohne Teams. Und nur ein kleiner Teil der Bevölkerung spielt regelmäßig Schach und ist über Strategien, die über simples Bauenschach hinausgehen, vertraut.

Man wird schon merken, worauf ich hinaus möchte: League of Legends entspricht in meinem Bild dem Fußball, ein Teamspiel, dessen Grundprinzip man leicht gelernt und verinnerlicht hat, das aber dennoch schwer zu meistern ist. Dieses Prinzip spricht den Casualspieler einfach wesentlich mehr an, als die harte 1gegen1 Realität in dem sehr theorielastigen StarCraft II, dem Schach der eSport-Spiele. Während LoL darauf setzt mit bekannten Champions tolle Moves und Teamfights zu zeigen, die ähnlich wie ein großartiger Freistoß beim Fußball, intuitiv verstanden werden und begeistern, besteht StarCraft II auf der Pro-Ebene zu einem sehr großen Teil aus Mindgames und Strategien, die einen jemanden, der sich nur mäßig mit dem Spiel und dem Metagame befasst hat, überhaupt nicht bewusst sind und ihn dementsprechend auch nicht begeistern können – genau so, wie man beim Schach nicht einen tollen Spielzug anerkennen kann, wenn man nicht über das geeignete Wissen verfügt.

Diese Eigenschaften führen auch dazu, dass LOL für viele ein lustiges Spiel in einer Gruppe ist, bei dem man einfach Spaß hat, wohingegen in der StarCraft Community schnell ersichtlich ist, dass einem Großteil der Spieler darum geht im 1gegen1 besser zu werden und in der eigenen Liga aufzusteigen – und dementsprechend umso frustrierter sind, wenn es ihnen nicht gelingt. Wo LOL Spaß macht, kann SCII sich wie Arbeit anfühlen und wenn man ein Spiel selber nicht mehr spielt, senkt das auch bei vielen die Lust darauf, sich das ganze anzusehen.

Diese Ausführungen führen mich unweigerlich zu der Frage, was Blizzard unternehmen könnte, um diesen Trend entgegenzusteuern: leider sehr wenig. Denn StarCrafts große Schwäche ist gleichzeitig auch seine große Stärke, denn es lebt von der nur schwer zu erlernenden Komplexität des Metas, von kleinen aber feinen spielentscheidenen Aktionen, die nur ein Kenner richtig einschätzen kann. Dennoch könnte Blizzard versuchen Kleinigkeiten einzubauen, die den Casual dazu anregen, sich wieder mehr mit StarCraft II und damit verbunden der eSport-Szene zu beschäftigen:

Vorschlag 1: Bessere 2v2, 3v3 und 4v4 Balance

Im Gegensatz zum gängigen Klischee sind Gamer keine unsozialen Einzelgänger, League of Legends ist auch deswegen so erfolgreich, weil man eben mit bis zu vier Freunden jederzeit ein Spiel starten und loslegen kann. In StarCraft II wird in diesen Brackets jedoch vor allem die Balance und das Matchmaking kritisiert, beides Stellen an denen Blizzard durchaus noch arbeiten könnte, beispielsweise durch eine von 1v1 getrennte Balance, oder besseren Maps, die noch genauer auf die Probleme im XvX abgestimmt sind. Das Matchmaking könnte dadurch entscheidend verbessert werden, indem man Random Teams nicht mehr auf feste Gruppen treffen lässt.

Vorschlag 2: Alternative Szenarien anbieten

Blizzard hat es mit den Szenarien in WoL schon vorgemacht: so wie LOL mit dem Aram- und Dominion-Mode weitere Alternativen hinzugefügt hat, könnte Blizzard weitere Szenarien für Einzelspieler und Gruppen entwerfen, in denen der Kern des Spiels zwar erhalten bleibt, man sich aber bestimmten Herausforderungen stellen muss, um immer bessere Highscores zu erspielen. Beispielsweise Microszenarien, in denen man mit bestimmten Einheiten bestimmte Manöver durchführen soll, oder Macroszenarien gegen die KI, in denen man immer stärker werdende Einheitenwellen abhalten muss.

Vorschlag 3: Turniermodi wie in WarCraft III

Viele Spieler fühlen sich von dem ewig gleichbleibenden Spiel in der Ladder etwas gelangweilt, ein an WarCraft III angelehnter Turniermodus könnte dieses Problem abmildern, angekündigte automatisierte Turniere, am besten so gestaltet, dass jeder Spieler die Chance hat mal zu gewinnen (indem man ein Turnier zum Beispiel auf eine Liga, oder ein bestimmtes MMR,  beschränkt). Natürlich sollte es auch hierzu genaue Statistiken und Medallien für die Gewinner geben.

Alles in Allem könnte ich mir vorstellen, dass Blizzard durch kleine Änderungen und ein wenig mehr Support an StarCraft die Popularität des Spiels nochmal steigern und damit auch der ganzen eSport-Szene dieses Spiels einen erneuten Schub geben könnte.

Und nun die Fragen an euch: Seht ihr ähnliche Probleme, oder an einer anderen Stelle? Was könnte eurer Meinung nach unternommen werden, um SCII wieder massentauglicher zu machen, ohne den Kern des Spiels zu ruinieren?

By Fin

9 Comments

  1. Die Kolumne ist echt sehr gut geschrieben!
    Ich sehe die Ganze Sache ähnlich wie du. Ein Tuniermodus wäre genial!

  2. Guter Vergleich, ich denke du triffst die Situation sehr gut, als ich ne zeitlang keinne PC hatte um selbst zu zocken habe ich viel SCII geschaut und hatte somit auch den Dreh raus, kannte die Strategien und habe erkannt, wann jemand richtig gut spielt.
    Inzwischen bin ich wieder bei LoL und habe das ganze Wissen mehr oder minder verdrängt, schaue daher auch kein SCII mehr.

    • Das finde ich sehr interessant, passt aber auch zu meiner Theorie. Hättest du denn das Gefühl, dass meine Vorschläge dich vielleicht etwas mehr an SCII binden könnten? Oder würdest du dir eher etwas anderes wünschen?

  3. Denke, die beiden Kernprobleme hast du gut herausgestellt.
    SC2 ist zum Zuschauen für den Laien einfach unattraktiv, weil vieles sich über die Ressourcen abspielt…einer der Gründe, warum WC3 mir immernoch mehr spaß macht, da auch hier der Zuschauer leichter sehen kann „oh, Held tot, das ist schlecht, glaube ich“.
    Ansonsten könnte (könnte!) es ein Problem für SC2 sein, dass man kaum Spieler aus der eigenen Nation „ganz oben“ hat. In WC3 wurde das immer über die Europäer kompensiert, aber selbst hier sieht es mau aus. Und ich weiß nichtmal warum, aber als Zuschauer verbinde ich die meisten Koreaner ständig mit dem Wort „Lame“ und schaue deswegen lieber den vielleicht schlechteren, aber trotzdem unterhaltsameren Europäern zu.

  4. Sehe ich genauso wie du! Sehr schöner Artikel.

  5. „dem sehr theorielastigen StarCraft II, dem Schach der eSport-Spiele“

    Das ist schlicht falsch. Die größte Barriere ist die physische Ausführungskomponente (zumindest ist absolut unstrittig, dass sie mindestens so groß wie die strategische ist). Diese ist außerdem auch wesentlich unklarer und weniger leicht aus dem Spiel heraus zu erlernen. Das Problem ist, dass ich selbst wenn ich optimale (strategische) Entscheidungen treffe, trotzdem gegen einen (schlechter entscheidenden) Spieler verlieren kann, wenn er einfach 100 APM mehr hat. Es gibt de facto keine Beschränkung der Eingabegranularität. Das ist so ziemlich das Gegenteil von Schach (das übrigens sehr viel sinnvoller mit Outwitters – dem meines Erachtens besten Videospiel aller Zeiten – zu vergleichen wäre). Dann gibt es natürlich noch jede Menge weiteren Unfug (wie Einheiten, die offensichtlich nutzloser sind als andere und daher in 99% der Fälle gar keine Rolle spielen, oder absolute No-Brainer wie das kontinuerliche Worker-Ausbildung-Anklicken in den ersten 20 Minuten, das jeder machen MUSS und das deshalb einfach nur automatisiert bzw. rausgeschmissen gehört). Aber vieles davon hat sich eben als Standard im fundamental fragwürdigen RTS-Genre eingbürgert. Und Blizzard geht heutzutage ohnehin keine kleinsten Risiken mehr ein (Warcraft 3 war in Sachen Design übrigens schon 100 Schritte weiter, nur leider nicht zu Ende gedacht).

  6. StarCraft II hat meiner Meinung auch das Problem, dass es ein wenig in die Hypewelle der Mobas und Mmorpgs gestartet ist. Viele Spieler, die in Starcraft 1 und Warcraft III gut waren, sind durch diese Art von Spielen verkümmert. Viele sind zu alt geworden und konnten nicht mehr mit dem gekannten Ehrgeiz an die Sache gehen und für die neuen Spieler war der Einstieg meist zu schwer.

    Warcraft III spielte sich einfach flüssiger. Wie schon angemerkt, gab es zentrale Figuren – die Helden – die besonders wichtig waren. Zudem war das Spiel langsamer, es gab weniger Einheiten.

    Bei Starcraft II war das bekannte Blizzard-Prinzip „Easy to learn, hard to master“ nicht mehr ganz so treffend. Zwar war das Laddersystem durchaus zu gebrauchen, aber wenn man als Neuling in das Spielt kommt und nach erfolgreich durchzechtem Singleplayer in die Online-Battles wechselt, bekommt man selbst in unteren Ligen hart aufs Brett.

    Selbst für Leute die wirklich lange RTS Games gespielt haben und Starcraft / Warcraft kennen, ist Starcraft II meist zu unübersichtlich – und für Zuschauer oft zu farblos. Warcraft III hatte satte Farben, es war einfach schön anzusehen. Starcraft II sieht oft aus, wie am Montag-Morgen, wenn man aus dem Fenster schaut und die Lampe kaum sehen kann, weil es diesig ist.

    Aber du hast das sehr gut geschrieben. Ich bin auf das nächste Addon gespannt. Die Online-Welt hat sich so sehr geändert, dass ein Spiel wie Starcraft kaum noch eine Chance hat, ein eSport-Zugpferd zu sein. Der Trend geht zu Hearthstone, Dota und co. Dort ist mit weniger Aufwand mehr Geld zu verdienen und es macht auch für Casuals mehr Spaß.

    Schade – Starcraft hat mir immer viel Spaß gemacht und es ist und bleibt ein cooles Spiel. =)

    • Ach und meiner Meinung nach hat auch viel das fehlende Clan / Chatsystem kaputt gemacht.
      An den „alten“ Spielen habe ich auch immer sehr geschätzt, dass man einfach mal in nem Channel abhängen konnte um sich mit Bekannten und Freunden zu unterhalten.

      Klar, das geht heutzutage auch sehr gut über Teamspeak und co. aber da hat man ja auch nicht immer Lust zu.

  7. Die Faszination an Esports besteht doch darin, Leuten zuzusehen, die gut in einem Spiel sind, dass man selbst gerne mag. Wer nur 2v2 oder so spielt wird sich wohl wenig für die Proszene interessieren. Ich finde es nicht schlimm, dass die sc2szene kleiner als lol ist. meiner meinung nach ist sie sehr viel qualitativer, was vorallem daran liegt, dass nicht alles von blizzard gehostet wird, was raum für andere turniere mit gutem lineup lässt

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